Unser Kniegelenk besteht aus einem feinabgestimmten System von Knochen, Bändern, Muskeln und Knorpeln, das jedoch anfällig für Verletzungen wie etwa Bandverletzungen, ist. Diese können sehr schmerzhaft sein und für den Patienten längere Behandlung, Funktionseinschränkungen sowie langfristig einen höheren Verschleiß des Kniegelenkes nach sich ziehen.
Bandverletzungen und Gelenkinstabilitäten
Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten
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Anatomie und Funktion der Kreuz- und Seitenbänder im Kniegelenk
Als „zentraler Pfeiler“ des Kniegelenks werden die beiden Kreuzbänder bezeichnet. Sie spielen eine zentrale Rolle bei der Stabilisierung und der Beweglichkeit des Kniegelenks.
Zwei Seitenbänder stabilisieren das Kniegelenk seitlich und verhindern das Wegknicken nach innen und außen.
Eine Vielzahl an Neurorezeptoren in den Bändern und der Gelenkkapsel sind für die Koordination und Steuerung der Beinmuskulatur durch das Gehirn vorhanden. Bei Bandverletzungen oder Verletzungen der Gelenkkapsel wird diese Steuerung gestört, was zu einem Instabiltätsgefühl führt.
Im Folgenden erhalten Sie mehr Informationen zum Bandapparat des Kniegelenks.
Der Bandapparat des Kniegelenks
Das vordere Kreuzband (VKB oder ACL) zieht von der Tibia vorn mittig zum hinteren Teil des äußeren Kondylus. Es wirkt beim gebeugten Kniegelenk dem Verschieben der Tibia nach vorn, der sogenannten vorderen Schublade entgegen. Beim gestreckten Knie hemmt es die Überstreckung und begrenzt die Innenrotation, indem es sich mit dem hinteren Kreuzband verwindet.
Das hintere Kreuzband (HKB oder PCL) ist das stärkste Band im menschlichen Körper mit einer hohen Reißfestigkeit und guten Durchblutung. Es wirkt beim gebeugten Kniegelenk dem Verschieben der Tibia nach hinten der hinteren Schublade entgegen. Zusammen mit dem VKB wirkt es in der Kniestreckung der Innenrotation und Überstreckung entgegen.
Es gibt zwei Seitenbänder am Knie, die bei gestrecktem Knie jeweils das Abknicken nach innen und außen verhindern und so das Knie seitlich stabilisieren. Das Innenband ist kräftiger als das Außenband und mit Innenmeniskus und Gelenkkapsel verwachsen, während das Außenband keinen Kontakt zu Kapsel oder Außenmeniskus hat.
Wie der Bandapparat das Kniegelenk in der Bewegung unterstützt
Die typische Bewegung des Femorotibialgelenks- das Gelenk zwischen Oberschenkelknochen (Femur) und Schienbein (Tibia) - ist eine Roll-Gleitbewegung. Anders als bei einem einfachen Scharniergelenk verschiebt sich im Knie permanent der Drehpunkt. Das wird bei der Konstruktion und dem Einsatz von Knieorthesen beachtet. Zu Beginn der Beugung rollen die Femurkondylen nach hinten und das vordere Kreuzband spannt sich an. Es verhindert damit ein weiteres zurückrollen und die Kondylen gleiten daraufhin auf dem Tibiaplateau nach vorn.
Zugleich rotiert bei der Beugung die Tibia nach innen. Dabei verwinden sich vorderes und hinteres Kreuzband miteinander und verhindern so die weitere Innenrotation der Tibia.
Bei der Streckung rotiert die Tibia dann nach außen, dabei werden Teile der Kreuzbänder, die Seitenbänder sowie die Gelenkkapsel stark gespannt. Das Gelenk „rastet ein“ und lässt sich ohne willentliche Muskelaktivität nicht mehr beugen. Dies wird als Schlussrotation bezeichnet und ist für die Stabilität des Beines z.B. während des Gehens sehr wichtig.
Welche Bandverletzungen können auftreten?
Kreuzbandrisse zählen zu den häufigsten Sportverletzungen in Deutschland. In den meisten Fällen ist dabei das vordere Kreuzband (VKB) betroffen. Insbesondere bei kniebelastenden Ballsportarten oder alpinem Skilauf kann es zu diesen Verletzungen kommen. Die Kreuzbandverletzung ist sehr schmerzhaft und bedeutet für den Patienten längere Behandlung, Funktionseinschränkungen sowie langfristig einen höheren Verschleiß des Gelenkes. Nicht immer reißt das VKB, auch eine Dehnung und ein Anriss sind möglich. Verletzungen des vorderen Kreuzbandes sind 10-mal häufiger als die des hinteren Kreuzbandes.
In vielen Fällen handelt es sich dabei um Verletzungen ohne Einwirkung von außen - sogenannte non-contact Verletzungen. Sie kommen z.B. beim Ballsport vor, wenn der Fuß am Boden fixiert ist und das Knie nach innen gebeugt. In der Bewegung wird das vordere Kreuzband überdehnt und kann reißen.
In einer ähnlichen Situation kann eine zusätzliche Kraft z.B. durch einen Tritt seitlich oder von hinten gegen das Knie die Schädigung des vorderen Kreuzbandes bewirken. Hierbei ist eine Verletzung des Innenbandes ebenfalls möglich.
Auch ohne Gewalteinwirkung von außen kann das vordere Kreuzband durch Tibiavorschub verletzt werden. Wenn sich durch plötzliches Stoppen mit gestrecktem Bein die Oberschenkelmuskulatur abrupt anspannt, kommt es durch Zug auf die Patellasehne zu einer Scherkraft nach vorn, die das VKB verletzen kann.
Wirkt eine starke Kraft direkt von vorn auf die Tibia, zum Beispiel durch Aufprall, kann das zur hinteren Schublade und gewaltsamen Verletzung des HKB führen.
Nicht nur die Kreuzbänder, auch die Seitenbänder können verletzt werden. Das Innenband ist durch massive Krafteinwirkung von außen, den sogenannten Valgusstress gefährdet. Das kann zur Dehnung, Anriss oder Riss des Innenbandes führen. Bei einem Riss ist auch der Innenmeniskus mit betroffen. Bei verschiedenen Extrem- und Ballsportarten kann es durch ungünstige Kombination von Bewegungen und von außen einwirkenden Kräften zur Verletzung von Innenband, Innenmeniskus und vorderem Kreuzband gleichzeitig kommen, was als „Unhappy Triad" bezeichnet wird.
Das Außenband ist deutlich dünner als das Innenband und kann durch unzuträgliche Krafteinwirkung auf die Innenseite des Kniegelenks, den sogenannten Varusstress geschädigt werden. Auch hier sind Dehnung, Anriss oder Riss möglich. Bei einer gewaltsamen Überstreckung des Kniegelenks kann das Außenband in Verbindung mit dem hinteren Kreuzband reißen.
Wie werden Kreuzbandverletzungen therapiert?
Dem Arzt stehen konservative (ohne chirurgischen Eingriff) oder operative Behandlungsmethoden zur Verfügung. Eine konservative Behandlung ist z.B. möglich, wenn das Kreuzband gedehnt oder nicht vollständig gerissen ist.
Als Kreuzbandersatz werden sehr häufig Implantate verwendet, die aus den Sehnen des Musculus semitendinosus und Musculus gracilis, den sogenannten Hamstrings, während der Operation präpariert werden. Möglich ist auch ein Patellarsehnenimplantat. Dieses wird mit jeweils einem Knochenstück aus dem mittleren Drittel der Patellasehne entnommen. Künstlicher Kreuzbandersatz hat sich nicht durchgesetzt. Es gibt aber zunehmend neue OP-Verfahren, um Kreuzbänder zu erhalten.
Wie geht es nach der Operation weiter?
Der nächste Schritt nach der Operation ist die richtige Nachbehandlung. Sie ist abhängig vom Heilungsfortschritt und der Belastbarkeit des Implantats, zielt aber auf schnelle Mobilisierung des Kniegelenks. Die nachfolgenden Maßnahmen und Zeiträume dienen hier der Veranschaulichung und sind vereinfacht dargestellt.
Nach sehr kurzer Immobilisierung mit einer Knieruhigstellungsorthese beginnt neben Maßnahmen zur Schmerz- und Schwellungsreduktion u.a. durch Kühlung und Kompression, die Mobilisierung durch den Physiotherapeuten und mit Unterstützung einer passiven Bewegungsschiene (CPM).
Nach Entlassung aus der Klinik erhält der Patient auf ärztliche Verordnung vom Orthopädietechniker eines Sanitätshauses eine funktionelle Knieorthese zur Führung, Stabilisierung und zum Schutz des frisch operierten Kniegelenks. Die Knieorthese ist in der Beugung limitiert und wird nach etwa 6 Wochen ganz oder schrittweise freigegeben.
Zur Wiedererlangung der vollen Beweglichkeit kann der Patient eine CPM-Schiene für die Anwendung daheim über mehrere Wochen verordnet bekommen.
In den folgenden Wochen steigert der Patient mit zunehmender Belastung seine Beweglichkeit. Dabei schützt und unterstützt ihn die Knieorthese. Koordinations- und Kräftigungsübungen verleihen ihm zunehmend Sicherheit beim Gehen.
Was passiert im Knie?
In den ersten 12 Wochen, die als Heilungsphase bezeichnet werden, wächst das Implantat schrittweise ein. Zugleich beginnt ein biologischer Umbauprozess der implantierten Sehne in ein Band. Das wird als Ligamentisierung bezeichnet. Durch den biologischen Umbauprozess verliert die implantierte Sehne vom ersten Tag an, an Reißfestigkeit. Daher ist das Tragen der Orthese im ersten Jahr sinnvoll und darüber hinaus bei Belastung des Kniegelenks, z.B. beim Skifahren.
Was ist beim hinteren Kreuzband zu beachten?
Obwohl sich die operative Versorgung des hinteren Kreuzbandes (HKB) mit der des vorderen Kreuzbandes (VKB) ähneln, gibt es in der Nachsorge wichtige Unterschiede. Keinesfalls darf ein HKB-Patient mit den Nachbehandlungsmethoden des VKB behandelt werden. Insbesondere ist das Wegsacken der Tibia in die hintere Schublade zu vermeiden. Deshalb trägt der Patient für 6 Wochen Tag und Nacht eine funktionelle PCL-Orthese. Der Bewegungsumfang wird von 20° Beugung an in kleinen Schritten freigegeben. Erst ab der 7.-12. Woche kann das Knie langsam wieder belastet und aktiv bewegt werden.
Wie werden Seitenbandverletzungen behandelt?
Die meisten Seitenbandverletzungen werden konservativ behandelt, da es sich um Überdehnung oder um Teilrisse eines Seitenbandes handelt. Anfangs wird das Knie geschont und zur Schwellungs- und Schmerzreduktion gekühlt. Zur Stabilisierung und Führung wird eine leichte Knieorthese für 4 bis 6 Wochen vom Arzt verordnet. Physiotherapie und Teilbelastung beim Gehen unterstützen die Heilungsphase.
Wie funktionieren Orthesen bei Kreuzbandinstabilitäten oder -Verletzungen?
Häufigster Einsatzgrund für Rahmenorthesen sind Verletzungen der Kreuzbänder. Die Auswahl der passenden Orthese erfolgt nach der jeweiligen Kreuzbandverletzung. Rahmenorthesen sind so gebaut, dass sie das Kniegelenk stabilisieren, entlasten und in seiner Bewegung physiologisch führen. Der Bewegungsumfang des Knies ist dabei in Streckung und Beugung an der Orthese einstellbar. Auch seitlich wird das Kniegelenk durch Rahmenorthesen stabilisiert. Die Seitenbänder werden unterstützt und so unzuträgliche Bewegungen unterdrückt.